Hände

Atget, Cartier-Bresson, Hockney, Kertész, Man Ray, Rinke, et al.

EXHIBITION Dec 12, 1985 — Feb 28, 1986

Wie viele ihrer Malerkollegen legten die frühen Photoporträtisten großen Wert auf die Handstellungen ihrer Modelle. Eine gekonnte Platzierung verlieh den steifen, lang andauernden Posen Dramatik oder Ruhe. Und häufig zeigen die Hände mehr als das Gesicht des Modells - Sozialstatus, Beruf, Persönlichkeit und Gespür für Moden. Die moderne Photographie hat dieses Idiom noch erheblich fortgeführt, um die Hand als Werkzeug, als bildhauerische Einheit, Ornament oder Symbol miteinzubeziehen. Diese Themen und Variationen sind in der Ausstellung reichhaltig dokumentiert. Neben Meisterwerken von El Lissitzky, Man Ray, Cartier Bresson, Atget und Umbo werden auch zeitgenössische Photographen wie David Hockney, Marion Nickig und Henry Lewis vertreten sein.
Dorothea Langes Studie von einer amerikanischen Frohnarbeiterin die geruhsam ihre Hände gefaltet hält, ist einer ihrer eindrucksvollsten Arbeiten. Die gefurchte schwarze Haut erinnert an die ausgetrocknete Erde der Südstaaten, und man braucht nicht mehr, um das Leben dieser Frau zu entziffern. In anderen Photographien, und auch wenn es nur wie ein belangloses Detail anmutet, kontrolliert die menschliche Hand häufig die Stimmung der Szene. André Kerstész zeigt einen einsamen Mann, der über einen Park hinweg zwei Frauen auf einer Bank beobachtet. Die zerbrochene Bank rechts im Bild zeichnet die abfallende Linie der Schulter nach, doch die Hände, fest hinter dem Rücken verhakt, bekräftigen seine Rolle als einsamer Voyeur.
In Umbos "Selbstbildnis mit Annemie" hält der Photograph eine Hand vor seine Brust, während die andere eine lange Zigarettenspitze balanciert – der Künstler ganz der Boulevardier. In seiner Studie der Hand einer Zeichnerin beweist Umbo dagegen die expressive Kraft in dem Moment der Übersetzung in graphische Wirklichkeit. Die Hand der Künstlerin, messend, markierend, ruft die Hand als Werkmaß und als Ursprung ungesprochener Sprache in Erinnerung.
In Klaus Rinkes "Mutation" sind diese Zeichen in ein feines Muster verwoben, das wie primitive Zeichensprache anmutet. Ute Klophaus Studie von Rinkes Lehrer Joseph Beuys zeigt den Schamanen während des "24-Stunden-Happenings" von 1964. Die Augen fest verschlossen ruht der Künstler seinen Kopf auf einem Fettkeil. Doch, was der Studie ihre streng formale Qualität verleiht, ist die starre Fläche der Hand, die parallel zum Gesicht verläuft. So friert die Komposition zu einem Marmorbildnis. Hände, die flirten, streicheln, bitten, abwehren, heben, balancieren, drohen, sich ballen, greifen oder sich putzen: in ihrer unendlichen Verschiedenheit der Gesten und Ausdrucksmöglichkeiten weisen sie auch auf die Leistungen der 30 Photographen, die in dieser einzigartigen Ausstellung präsentiert werden.